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Der erkrankte Pfarrer Jan Kölbel habe ihn, Pfarrer Toni Wolf, gebeten, dem Gedenkgottesdienst für Papst em. Benedikt XVI. am 02.01.23 in der Pfarrkirche St. Jakobus Miltenberg, vorzustehen. Zu Beginn der Messfeier wurde für den am Morgen des 31.12.22 im Alter von 95 Jahren verstorbenen Papst em. Benedikt XVI. das Sterbegebet abwechselnd zwischen den beiden Zelebranten, Pfarrer Wolf, Pfarrvikar Ninh und der Gemeinde gesprochen.

Wir seien versammelt, um Gott zu danken, dass er Joseph Ratzinger mit vielen Fähigkeiten, den Menschen zu dienen und Gottes Heil zu verkünden, ausgestattet habe. Ratzinger sei 71,5 Jahre Priester, 45,5 Jahre Bischof, davon 8 Jahre Bischof von Rom und fast 20 Jahre an div. Universitäten (u.a. in Tübingen) Professor für Dogmatik gewesen. In den Jahren 1962 bis 1965 habe er beim 2. Vatikan. Konzil mitgewirkt und die Erneuerung der kath. Kirche vorangetrieben. Nach fünf Jahren als Erzbischof von München u. Freising habe Papst Johannes Paul II. Ratzinger nach Rom geholt und ihn zum Vorsitzenden der Glaubenskongregation gemacht. Ratzinger sei ein großartiger Theologe, zielgerichteter Wissenschaftler und tief religiöser Verfasser zahlreicher Bücher gewesen. In seiner Predigt ging Pfarrer Wolf auf das Leben und Wirken Ratzingers und auf persönliche Begegnungen mit dem emeritierten Papst ein. Seine erste Begegnung mit Ratzinger sei dessen großartiges Werk „Einführung in das Christentum“ gewesen, das 1968 erschienen sei. Die gesamte christliche Welt sei von diesem Buch bewegt gewesen, weil ein junger Theologe gemerkt habe, was die Kirche brauche. Die einleitende Parabel sei ein Appell für die Erneuerung der Kirche. Leider sei das Jahr 1968 von schweren Erschütterungen belastet gewesen. Die heftigen Studentenunruhen in Tübingen hätten vor den Hörsälen nicht Halt gemacht. Diese dramatischen Erfahrungen hätten den jungen Professor sehr ängstlich und misstrauisch werden lassen. Seine Einstellung zur Erneuerung der Kirche habe sich ins Gegenteil verkehrt; fortan sei sie wieder bewahrend und rückwärts gewandt. Bei der Bischofsweihe im Jahr 1977, bei der Pfarrer Wolf als junger Priester dabei gewesen sei, habe Ratzinger die Religiosität und Glaubenstreue Bayerns bzw. Münchens gelobt und die Frage gestellt, ob Bayern noch von Glaubenstreue geprägt sei, wenn man ihn auf seinem letzten Weg begleite. Seinem Wahlspruch als Bischof gemäß, habe sich Ratzinger stets als „Cooperator veritatis“, als Mitarbeiter der Wahrheit verstanden. Die Wahrheit komme allein von Gott und sei sein lebenslanges Bestreben gewesen. Leider sei viel schief gegangen, mäßige Mitarbeiter Ratzingers hätten zu beklagenswerten Entscheidungen beigetragen, so dass Ratzinger sich zunehmend allein gelassen gefühlt habe. Bei seinen Begegnungen habe Pfarrer Wolf Ratzinger nicht als kühlen, distanzierten Bischof, sondern als einfühlsamen, bescheidenen Seelsorger erlebt. Angesichts nachlassender Lebenskraft habe Benedikt XVI. mit seinem Rücktritt das Beste tun wollen.

Nina Reuling

Fotos: Martin Winkler

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