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"Wir sind das Volk (Gottes)"

Am Abend des 03.10.2020 begrüßte Helga Neike (ev.-luth.) die Teilnehmer des Ökumenischen Gottesdienstes „30 Jahre Deutsche Einheit“ in der Pfarrkirche St. Jakobus. Der Gottesdienst wurde inhaltlich von der ACK Miltenberg (Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen, d.h. von der ev.-luth., ev.-freikirchl. u. kath. Gemeinde) und musikalisch von der Schola Cantorum (Leitung und Orgel: Michael Bailer) und Sebastian Paulus (Trompete) gestaltet.

Frau Neike verwies darauf, dass die Dt. Wiedervereinigung ohne eine friedliche Revolution in der ehemaligen DDR und ohne das Engagement mutiger Christen nicht möglich gewesen wäre. Eine Zeitzeugin, Elke Lorenz, die nach ihrer Ausreise aus der DDR lange Jahre Mesnerin an der ev. Johanneskirche gewesen war, gab einen kurzen Eindruck von ihren Erfahrungen. So sei die Vorbereitung der Friedensgebete in den Kirchen von großer Anspannung und der Frage, wie weit man gehen könne, bis man Konsequenzen zu befürchten habe, geprägt gewesen – schließlich hätten auch Mitarbeiter der Stasi als „Beobachter“ in den Kirchen gesessen. Sie sei dankbar, dass diese Zeit vorüber und Ost und West zusammengewachsen seien. Pfarrer Jan Kölbel bedankte sich bei Frau Lorenz für ihr Zeugnis und als Dank für die Dt. Einheit wurde nun Psalm 65 gebetet. In seiner Predigt ging Pfarrer Kölbel auf das Verhältnis von Christen und Staat ein. Dies sei von Anfang an eine spannende Geschichte gewesen, die von der Christenverfolgung über größtmögliche Distanz bis hin zur völligen Vereinnahmung als Staatskirche gereicht hätte. In einem langlebigen, repressiven System sei es eine Gratwanderung, auf der einen Seite loyaler Staatsbürger zu sein und auf der anderen Seite Gott und sein Reich nicht aus dem Blick zu verlieren. Wer in Freiheit und Demokratie aufwachse und nichts anderes kenne, könne leicht urteilen, wie sich die Kirche in einem autoritären Regime oder einer Diktatur hätte verhalten müssen. Der Mut dieser Menschen, die 1989 zur friedlichen Revolution aus den Kirchen auf die Straßen geströmt seien, sei deshalb um so mehr zu bewundern. Die friedliche Revolution 1989 und die Dt. Einheit 1990 seien große Geschenke, aber auch eine Verpflichtung, gerade für Christen. Heute sei es nicht mehr der Sozialismus, sondern der Liberalismus, der uns herausfordere, da er mitunter sehr intolerant gegenüber christlichen Wertmaßstäben sein könne. Christliches Denken und Handeln präge immer weniger das politische Alltagsgeschäft. Freiheit sei für uns Christen ein sehr hohes Gut. Ein Blick in die Geschichte und in die Gegenwart zeige, dass es alles andere als selbstverständlich sei, seinen Glauben frei leben zu können. Es gelte, wachsam zu sein und sich einzusetzen und Gott zu geben, was Gott gebühre: Unser ganzes Leben. Pfarrer Kölbel bedankte sich bei allen, die den sehr schönen Gottesdienst inhaltlich (v.a. bei Frau Neike, Frau Lorenz, Frau Irmela Fröhlich (alle ev.-luth.) und Herrn Lothar Leitl (ev.-freikirchl.)) und musikalisch mitgestaltet hatten.

Nina Reuling

Fotos: Martin Winkler

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